Vom Garten zur Gemeinschaft: Biodiversität und Zugehörigkeit in der essbaren Stadt Graz
1. Oktober 2025
Das Projekt PLANET4B wählte als entscheidenden Ansatzpunkt für die Fallstudie in Graz, dass der Verlust von Biodiversität im urbanen Raum mit sozialer Ungleichheit einhergeht. Obwohl es in Graz mittlerweile rund 40 Gemeinschaftsgärten gibt, ist der Zugang zu Grünflächen und gesunden Lebensmitteln nach wie vor ungleich verteilt. Migrant*innen, alleinerziehende Mütter und ältere Frauen*, die alleine leben, sehen sich oft mit physischen, sprachlichen und symbolischen Barrieren konfrontiert, die sie daran hindern, sich an städtischen Begrünungsinitiativen zu beteiligen. Ohne bewusste Inklusion laufen solche Projekte Gefahr, soziale Ausgrenzung zu verstärken und zur grünen Gentrifizierung beizutragen.
Könnten Biodiversitätsinitiativen neu konzipiert werden, um soziale Gerechtigkeit, gelebte Erfahrungen und gemeinschaftliches Handeln in den Mittelpunkt zu stellen? Könnten Gärten zu Orten werden, die nicht nur der ökologischen Wiederherstellung dienen, sondern auch der kollektiven Transformation?
Sehen Sie in diesem kurzen Film, wie aus diesen Überlegungen der Gemeinschaftsgarten GAIA Gartenberg entstand. Er wurde gemeinsam von Frauen* mit Migrationshintergrund, alleinerziehenden Müttern und Frauen im Ruhestand sowie Gärtnerinnen, Künstlerinnen und Forscherinnen gestaltet. Gemeinsam schufen die Frauen* einen Ort der Bio-/Diversität. Der Bau des Gartenzauns war ein symbolischer Akt der kollektiven Eigenverantwortung. Es war ein Moment, in dem körperliche Arbeit zu einem tieferen Gefühl der Zugehörigkeit führte. Frauen, die sich zuvor unsicher waren, welchen Platz sie in dem Projekt einnahmen, griffen zu Werkzeugen, arbeiteten Seite an Seite und erklärten: „Das ist unser Garten.“ Dieser einfache Satz markierte einen Wandel – von der Teilnahme zum Eigentum. Es war der Moment, in dem der Garten aufhörte, „nur“ ein Forschungsort zu sein, und zu einem mutigen Gemeinschaftsraum für Empowerment und Selbstbestimmung wurde.
Gärtnern wurde zu einer Form der Zugehörigkeit, und der Garten wurde zu einem lebenden Labor für Biodiversität und Inklusion. Es war ein Ort, an dem ökologisches Wissen auf kulturelles Gedächtnis traf, an dem Ernährungssouveränität und soziale Resilienz Seite an Seite wuchsen. Biodiversität war nicht mehr abstrakt – sie war im Boden sichtbar, in der Ernte zu schmecken und im Rhythmus des Gemeinschaftslebens zu spüren.
Der GAIA Gartenberg ist mittlerweile mehr als nur ein Garten. Er ist der Kern eines entstehenden Gemeinschaftsparks, zu dem bereits ein zweiter Garten und zwei Streuobstwiesen (eine „klassische” mit traditionellen Sorten und eine mit mediterranen Sorten) gehören. Die Grünraumabteilung der Stadt Graz ist zu einem engagierten Partner geworden, was zeigt, dass die Idee der biodiversen essbaren Stadt Teil der Stadtentwicklungsstrategie von Graz wird. Lesen Sie hier im Dossier „Bio-/Diverse Essbare Stadt Graz“ über weitere Ideen für integrative politische Maßnahmen zur Förderung der (Agro-)Biodiversität und zum Abbau sozialer Ungleichheit.
Schlussendlich änderte sich das Selbstverständnis der Frauen: sie sind nicht nur mehr (Gemeinschafts-)Gärtner*innen, sondern aktive Stadt(mit)gestalter*innen. Wie eine Teilnehmerin es ausdrückte: „Früher dachte ich, so etwas sei etwas für andere Menschen. Jetzt weiß ich, dass es auch uns gehören kann.“
