Verantwortungsvolle Forschung in die Praxis umsetzen: lebenswerte Städte, ‚academic kindness‘, nachhaltige Lebensmittel und faire KI

16.05.2022
Das IFZ hat die jährliche Konferenz "Critical Issues in Science, Technology and Society Studies" vom 2. bis 4. Mai 2022 in Graz gemeinsam mit Günter Getzinger, Michaela Jahrbacher, Franziska Häller und weiteren Kolleg_innen der TU Graz veranstaltet. IFZ-Forscher_innen präsentierten in mehreren Vorträgen und Sessions mit internationalen Kooperationspartner_innen ihr vielfältiges Portfolio zu verantwortungsvoller Forschung und Innovation (RRI) in der Praxis.

STS Conference Graz 2022 Collage
  • In der von Sandra Karner (IFZ) und Zoltan Bajmocy (University of Szeged) organisierten Session „Transforming organizations for responsible research and innovation“ wurde erörtert, welche Formen des institutionellen und organisatorischen Wandels für eine Transformation des Forschungs- und Innovationssystems in Richtung RRI erforderlich ist. Ein zentraler Diskussionspunkt war, ob und wie RRI in Forschungsorganisationen, sowie auch in forschungsfördernden Einrichtungen eine Möglichkeit eröffnen kann, die derzeit vorherrschenden internen Logiken und Praktiken durch ethische und politische Reflexionen in Frage zu stellen und zu verändern.
  • Anita Thaler (IFZ) gab ein Beispiel für ein ethisch reflektiertes, gender-sensibles Technikforschungsprojekt mit ihrem Vortrag über „A techno-feminist take on tele-rehabilitation“, welches letztendlich Leben retten kann.
  • Auf dem Weg zu nachhaltigeren und lebenswerteren Städten spielt der Bereich der Logistik eine entscheidende Rolle (Session von Jürgen Suschek-Berger, Günther Illek, Melanie Troppe, IFZ): Je mehr Menschen in den Städten leben, desto höher ist die Nachfrage nach Gütern. Die Logistik ist das notwendige Werkzeug, um diese Bedürfnisse zu erfüllen, die Voraussetzung für geschäftliche Aktivitäten und die Aufrechterhaltung unserer Lieferketten. Aber auch die Logistik hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, die Lebensqualität in den Städten und die Sicherheit auf den Straßen. In dieser Session sprachen acht Referent:innen über ihre Zugänge, ihre Forschung und ihre Ergebnisse im Bereich der nachhaltigen Letzte-Meile-Logistik.
  • In “Herausforderungen zukünftiger Mobilitätssysteme” präsentierte Anna Schreuer Ergebnisse ihrer Forschung an der Universität Graz über Möglichkeiten, dem Lock-in bezüglich Vielfliegen in der Wissenschaft zu entkommen. Darüber hinaus übernahm sie den Chair einer Session zu Solarenergie im globalen Süden sowie einer Session zur Dezentralisierung, Nutzerorientierung und zu lokalem Engagement in der Energiewende.
  • In einer von David Steinwender und Sandra Karner organisierten Session zum Thema ‚Food Justice‘ ging es um verschiedene Perspektiven auf Ernährungsgerechtigkeit. Die präsentierten Arbeiten umfassten Themen wie:
    • den Konflikt zwischen traditionellen und kommerziellen Saatguterhaltungs- und Saatgutproduktionssystemen,
    • Suffizienz bei Fleisch und Milch gegenüber steigenden Konsumbedürfnissen in China,
    • die Bedeutung des Eigenanbaus von Lebensmitteln im Vergleich zwischen China und Europa,
    • die Potentiale von personalisierten, regionalen Lebensmittelwarenkörben,
    • Erfahrungen von "Essbare Stadt"-Initiativen in Dresden,
    • eine Bewertung von Nachhaltigkeitsleistungen in der Landwirtschaft in Freiburg,
    • eine queere Perspektive auf solidarische Landwirtschaft,
    • Food Hubs als Orte für die Transformation des Lebensmittelsystems in Großbritannien sowie
    • eine Präsentation der (Zwischen-)Ergebnisse von zwei aktuell am IFZ durchgeführten Projekten (CoopsForFood und Klimafitte Nahversorgung im Triester Viertel) zu einer nachhaltigen und sozial gerechten Nahrungsmittelversorgung im Stadtteil Triester Viertel in Graz.
  • Julian Anslinger (IFZ), Jaroslava Huber (Pro2Future), Susanne Sackl-Sharif (Universität Graz) und René Werner (Johannes Kepler Universität Linz) sprachen in ihren Vorträgen darüber, wie sich derzeitige Digitalisierungsmaßnahmen und Künstliche Intelligenz-Systeme auf Arbeitnehmer*innen auswirken. Sie waren sich einig: Die Situation für ArbeitnehmerInnen ist herausfordernd, kann jedoch mit gezielten Maßnahmen verbessert werden (Schulungen, nutzer*innenzentrierte Technologien, etc.). Die Unternehmen sind gefragt, hierfür die notwendigen Ressourcen bereitzustellen.
  • Daniela Jauk-Ajamie (University of Akron) und Anita Thaler (IFZ Graz) – beide Mitglieder der Arbeitsgruppe Queer STS – luden fünf Beiträge ein, Formen von ‘academic kindness’ zu reflektieren: Als Antidot zu akademischem Prekariat und Konkurrenzdenken im neoliberalen Kontext, als queer-feministische Intervention in zeitgenössische Arbeitskulturen, als Aktualisierung einer feministischen Ethik der Fürsorge, als akademische Strategie der gegenseitigen Hilfe und als Interaktion und Intraaktion. Andrea Ploder untersuchte, wie sowohl starke Reflexivität als auch academic kindness in Vulnerabilität verwurzelt sind. Victoria Englmaier betonte die Bedeutung von "Visionen einer gender- und queer-inklusiven Universität in Österreich". Kris de Welde riet in ihrem Vortrag "Minding and Mending the Gap between Academic Kindness and Academic Justice" dazu, die soziale Gerechtigkeit des Konzepts nicht zu übersehen. Schließlich gaben Eveline Wandl-Vogt und Claudia Schwarz-Plaschg Denkanstöße zu "diversity friendly knowledge creation spaces" und Erfahrungen aus einem "peer-to-peer feminist STS collective", was zu einer anregenden Fishbowl-Diskussion mit dem Publikum führte.